Kurz erklärt: Wie erstelle ich einen digitalen Theaterraum – 3D Konstruktion, Photogrammetrie oder Laserscan?

Welche Verfahren für die räumliche Erfassung gibt es und wo liegen die Vor- und Nachteile? Egal ob Rendering, 3D-Konstruktion, Animation, virtuelle Bauprobe oder digitale Besprechung – für all diese Dinge wird ein digitales 3D-Modell benötigt. Die Möglichkeiten zur Erstellung eines solchen Modells sind dabei vielfältig und mit unterschiedlichen Kosten und Zeitaufwand verbunden. Daher sollte man sich zuvor fragen, welche Anforderungen es für die Anfertigung eines 3D-Modells der Spielstätte oder des Bühnenbilds gibt. Grundsätzlich sollte Folgendes beachtet werden:

  • Einsatzziel: Wofür soll das Modell später verwendet werden? Mögliche Einsatzzwecke sind z.B. eine Dokumentation von Theaterräumen, eine Bestandssicherung vor einer Sanierung, Erstellung von Virtuellen Touren (Blick hinter die Kulissen für Publikum) oder als Basismaterial für die Arbeit im digitalen Raum wie z.B. für eine virtuelle Bauprobe. Ausgehend von diesen Einsatzzwecken werden unterschiedliche Datengrundlagen benötigt.
  • Informationsgehalt: Was und wie genau soll in den 3D-Daten abgebildet werden? Soll ein aktueller Stand dokumentiert werden, auf dem jeder Kabelkanal und jede Kerbe in der Wand zu sehen ist, oder benötigt man lediglich eine Gebäudehülle und die Dimensionen des Hauses, um 3D-Vorplanen zu können. Benötigt man die originalen Texturen der Oberflächen für ein realitätsnahes Rendering oder genügen standardisierte Texturen, um Materialeigenschaften zu markieren? Je nach gewünschtem Aufwand sind beide Varianten denkbar.
  • Maßstabstreue: Sollen virtuelle Bauproben oder digitale Besprechungen mit dem Modell stattfinden, sind präzise Daten für die Planung ein Muss. Dann können Abstände zu Decken, Wänden sowie Sichtlinien genau überprüft und maßstabsgetreue Werkstattzeichnungen und Übersichtspläne erstellt werden. Werden keine technischen Besprechungen stattfinden und wird das Modell nur für die “Optik” verwendet, so reichen auch weniger genaue Daten. Es empfiehlt sich aber möglichst genau zu arbeiten, um die Modelle später vielseitig einsetzen zu können.
  • Vorhandene Hard- und Software: Die eigene technische Ausstattung sowie die eigens verwendete Software sollte vorher überprüft werden. Welche Leistungen hat die Hardware, für wen und mit welcher Ausstattung soll das Modell verwendet werden? Detaillierte Modelle erfordern eine bessere technische Ausstattung, wie im folgenden Blogartikel beschrieben wird.
  • Budget: Das Budget muss höher angesetzt werden, je detaillierter das Modell sein soll. Ebenfalls steigen die Kosten für die Modellerstellung, wenn das Modell aufwändig nachbearbeitet werden muss.
  • Datenformat: Abhängig vom Einsatzzweck ist das Datenformat und die Datengröße des Modells entscheidend. Wer in CAD-Programmen weiterarbeiten möchte, benötigt bestenfalls entsprechende .dwg oder .dxf Dateien. Wer nachher weiter in Visualisierungsprogrammen und Webformaten die Modelle präsentieren will, benötigt Dateiformate wie .fbx, .gltf und .glb

Generell gilt: Je genauer die Daten, desto besser. “Größere” und präzise 3D-Daten sind in der Erstellung teurer, können jedoch jederzeit vereinfacht bzw. “konvertiert” werden und stehen daher für mehrere Einsatzzwecke zur Verfügung. Dies sollte jedoch in der Zeit- und Kostenkalkulation bedacht werden.

Drei Wege der digitalen Modellerstellung

3D-Konstruktion

Bei der 3D-Konstruktion kann mit vorhandenem Planmaterial gearbeitet werden, das mit Abmessungen am realen Objekt überprüft und ergänzt wird. Diese Daten dienen dann als Grundlage für eine maßstäblich korrekte geometrische Rekonstruktion am Rechner. Dies ist sehr zeitaufwändig und bei komplexeren Freiformen wie Rundungen wird eine genaue Nachbildung schwer.

Das Nachmodellieren kann sowohl in 3D-CAD Programmen oder 3D-Programmen erfolgen, siehe hierzu auch unseren Artikel “Kurz empfohlen: welche Software für Planung in 3D?” Vorteil der Nachmodellierung ist, dass das Modell bestenfalls genau auf das eigene Programm abgestimmt ist und bei eigener Erstellung besser bedient und somit einfacher ergänzt werden kann. Die Modellierung ist vor allem für einfache, technische Modelle gut geeignet und ergibt sehr “leichte” Daten. Solche Modelle lassen sich jedoch nur bedingt für realitätsnahe Visualisierungen einsetzen, vor allem, wenn diese in CAD-Programmen erstellt wurden.

Ein fiktives Modell-Theater, nachmodelliert in einem CAD-Programm (Autocad)

Photogrammetrie

Grundlage der Photogrammetrie ist die Erstellung einer Punktwolke, eine Datensammlung von “Abtastpunkten” in einem dreidimensionalen Koordinatensystem. Diese besteht aus zahlreichen, sich überlappenden Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln und Positionen rund um ein Objekt. Hierfür reicht eine gute Handykamera aus, besser ist jedoch eine professionelle Kamera wie z.B. eine Spiegelreflexkamera. Auch große Räume können erfasst werden, indem man mit einer Drohne durch ein Theater fliegt, diesen Flug filmt und anschließend die einzelnen Frames (Standbilder) erfasst. Für die Erfassung von Räumen muss man mindestens die Raumkanten abfliegen. Eine Software für Photogrammetrie errechnet dann anhand der Überschneidungen die Punktwolke, die in einem weiteren Arbeitsschritt zu einem Modell zusammengesetzt wird. Das Ergebnis und die Genauigkeit des Modells ist abhängig von der Software und der Qualität und Anzahl der Fotos. Je größer der Zeitaufwand und die Präzision bei der Erstellung, desto detaillierter und genauer die Ergebnisse. Die Daten können nachher für die Visualisierung verwendet werden, sind jedoch meist sehr “groß”, da viele Unebenheiten dokumentiert werden. Solche Modelle müssen also vereinfacht und optimiert werden.

Linkliste Software für Punktwolkenerstellung und -verarbeitung:

Meshroom: https://alicevision.org/ (kostenlos)
Metashape: https://www.agisoft.com/ (Lizenz)
ReCap Photo: https://www.autodesk.de/products/recap/overview?term=1-YEAR&tab=subscription (Abo)
RealityCapture: https://www.capturingreality.com/ (kostenpflichtiger Export fertiger 3D-Scans)

Photogrammetrie des Römischen Theater in Bosra
Quelle: Sketchfab, www.petrvavrecka.cz

Laserscanning

Grundlage beim Laserscan ist die Erstellung einer präzisen Punktwolke mittels eines Lasers, die anschließend in Programmen wie “ReCAp Pro“ von Autodesk und „RealityCapture” zu einem Modell verarbeitet werden kann. Im Gegensatz zur Photogrammetrie wird die Punktwolke vom Laserscanner – durch das Abtasten der Oberflächen mit einem Laserstrahl – direkt erstellt und muss nicht aus den vielen Fotos errechnet werden. Demnach wird ein Arbeitsschritt in der Software übersprungen. Der 3D-Laserscan ist aufgrund der benötigten Geräte die teuerste Variante und kann meist nicht selbst durchgeführt werden, da eine große Expertise erforderlich ist. Durch die präzise und automatisierte Abtastung des Raumes liefert diese Methode jedoch sehr genaue und präzise Ergebnisse. Diese Daten können sowohl für die Visualisierung, als auch für die technische Arbeit verwendet werden, müssen hierfür jedoch ebenfalls nachbearbeitet werden. Im Theater gestaltet sich ein 3D-Laserscan sehr aufwändig, da aufgrund des komplexen Aufbaus (Sitzreihen, Logen, Ränge, Portal, …) sehr viele Punktwolken von verschiedenen Positionen aufgenommen und anschließend kombiniert werden müssen. Im Bereich der Veranstaltungstechnik findet der 3D-Laserscan schon vermehrt Anwendung, um die Dimensionen einer Veranstaltungshallen auszumessen und anschließend realitätsnahe Visualisierungen zu erstellen. Es empfiehlt sich, einen Laserscan von einem externen Dienstleister machen zu lassen. Je nach gewünschtem 3D-Modell und Endprodukt kostet dies zwischen 2.000 Euro bis 200.000 Euro.

Laserscanning in einem Theater Foto: Sabap Marche, Quell-Link


Punktwolke eines Lasercans des Römisches Theaters in Catania
Quelle: Museo della Rappresentazione – DICAR – Università di Catania

Welches Modell benötige ich?

Hier gilt es, genau abzuwägen, wie man in Zukunft arbeiten möchte. Oft genügt für den Anfang und die tägliche Anwendung ein einfaches, dafür aber schnelles 3D-Modell. Dennoch ist eine hochaufgelöste Punktwolke vom eigenen Theater ebenfalls für die Zukunft vorteilhaft, denn aus der präzisen Punktwolke können die verschiedenen Modellformate nachbearbeitet werden. Sollte die technische Ausstattung sich verbessern und sich die neuen, digitalen Workflows etablieren, können dann detaillierte Modelle eingesetzt werden. Hier muss jedes Haus eine eigene Arbeitsweise finden. Daher sollte die Schnittstellen sowohl intern als auch extern zum Dienstleister für das Datenformat und die Detailtiefe des Modells genau geklärt werden!

Beispiele

Die folgenden Beispiele verdeutlichen, das oft eine Kombination dieser Erfassungsmethoden vorliegt und auf verschiedenen Wege gute Ergebnisse erzielt werden können.


Oper Stuttgart, Steffen Sommer: Animation einer Punktwolke eines Theatermodells, Erfassung mit 3D Lasercan

 

Konzerthaus Berlin: Datenerfassung (Dimensionen und Texturen) mittels Laserscan, anschließend Optimierung und Nachmodellierung des Punktwolkenmodells

 

Staatstheater Kassel: Nachmodellierung des Staatstheater Kassels in 3D- CAD anhand von vorhandenen Architekturplänen, Vincent Kaufmann

Autor:innen: Vincent Kaufmann, Pablo Dornhege, Franziska Ritter

Titelbild: © tjg Dresden, Produktion: Weihnachtsgans Auguste, Screenshot Virtuelle Bauprobe (Software VR Sketch)