Der Markt an Programmen für die Arbeit rund um Arbeiten in Virtual Reality ist unübersichtlich. In unseren “How to go Virtual” Workshops haben wir viele getestet und zeigen sie im Vergleich.
Alle Nutzer:innen haben andere Anforderungen. Während Künstler:innen ein größeres Interesse an der freien Gestaltung und Darstellung im virtuellen Raum haben, interessieren sich technische Abteilungen eher für Präzision, Maßstabstreue und hilfreichen Funktionen wie z.B. Ausmessen, Markieren, Kommentieren und Verschieben. Dementsprechend haben wir begonnen, einige ausgewählte Tools auf unterschiedliche Parameter hin zu analysieren, damit jede Nutzer:in sich schnell und einfach einen Überblick verschaffen kann.
Folgende Parameter vergleichen wir:
Devices: beschreibt das Endgerät, über welches man das Programm verwenden kann. Sind mehrere Geräte angegeben, so kann man wählen. Die verschiedenen Devices sind:
- Smartphone oder Tablet
- Notebook oder PC
- Stand-Alone VR-Brille
- kabelgebundene VR-Brille mit PC oder Notebook
Multiuser: beschreibt die Möglichkeit mit mehreren Nutzer:innen parallel (und zeitgleich) in einer gemeinsamen digitalen Umgebung zu agieren.
Import / Export: beschreibt die Möglichkeiten und Datenformate, um Modelle in die Software zu laden und/oder gefertigte Modelle zu exportieren. Dieser Parameter ist vor allem für die Schnittstellen entscheidend. Hier erfolgt die Angabe des Parameters in der Aufzählung der wichtigsten Datenformate (.fbx .gltf .glb .obj .dwg .dxf .3ds .skp)
Maßstäblichkeit: beschreibt die Art der Anzeige des Modells. Hier wird unterschieden in:
- 1:1: Das Modell kann intuitiv im Maßstab 1:1 betrachtet und eingestellt werden
- frei: Der Maßstab kann frei gewählt und in der Arbeit fließend verändert werden
- gerastert: zusätzlich zur freien Veränderung des Maßstabes sind markante Rasterpunkte (z.B. 2:1, 1:1, 1:10, 1:25) hinterlegt
- sichtbar: Der Maßstab wird klar in Zahlen angezeigt
- unsichtbar: Der Maßstab ist nicht sichtbar oder nicht in Zahlen ablesbar
Detailtiefe: beschreibt die Möglichkeiten zur Darstellung und Anzeige von Modellen. Hier wird sowohl die Leistung des Programms (abhängig vom Device) als auch die visuelle Anzeige von Details (Texturen, kleinere Elemente) berücksichtigt.
- vereinfacht: keine Anzeige von Texturen möglich, Performance (maximale Anzahl von Polygonen) ebenfalls begrenzt, sodass Details wie Rundungen nicht korrekt dargestellt werden
- verbessert: Anzeige von Texturen, auch höhere Polygonzahlen und dadurch Details möglich, Performance jedoch begrenzt.
- umfangreich: Licht und Schatten möglich, Anzeige von Texturen und Darstellungsart von Details sehr hoch, Begrenzung der Anzahl der Polygone abhängig vom Device
Account: beschreibt, ob ein Account für die Nutzung der Software notwendig ist. Hier wird zwischen einmaliger Anmeldung und einem Account für ein Abo unterschieden.
Preis: beschreibt die Kosten in brutto, die entweder jährlich, monatlich oder einmalig für die entsprechende Software fällig werden
Licht: beschreibt die Möglichkeit der Visualisierung und Gestaltung mit Licht innerhalb der Software. Hierbei wird unterschieden zwischen 3 Stufen:
- Nein: keine Platzierung von Lichtquellen möglich = keine Schatten
- vereinfacht: eine globale Lichtquelle (z.B. Sonne), die beeinflusst werden kann, um einige Schattenwürfe zu verdeutlichen.
- umfangreich: Es können Lichtquellen mit verschiedenen Eigenschaften und Parametern gesetzt werden z.B. Intensität, Farbe, Abstrahlcharakteristik. Diese können ebenfalls visualisiert werden.
Snaptools: beschreibt die Möglichkeit, Modellteile intuitiv und unterstützt aneinander auszurichten (Winkel, Abstand, Ausrichtung, Aufeinanderlegen). So können Objekte zum Beispiel präzise an der Bühnenkante, dem Boden oder an virtuellen Fangpunkten einrasten.
Gestaltung: beschreibt den Grad der Gestaltungsfreiheiten. In diesem Parameter sind mehrere Faktoren berücksichtigt:
- freie Erstellung von polygonalen Körpern
- freie Auswahl von Farben
- freie Auswahl von Strichstärken
- Anzahl der verschiedenen Werkzeuge
- u.v.m.
Es können durchaus weitere subjektive Parameter definiert werden. Die Ergebnisse können sich ebenfalls ändern, da die Programme regelmäßige Updates haben und dadurch Funktionen erweitert, ergänzt oder auch entfernt werden.
Programmvergleich mit kurze Einschätzung des digital.DTHG Teams
Programmvergleich Teil 1 – Vergleich der Programme Tilt Brush, Gravity Sketch, Sketchbox, Microsoft Maquette, VR Sketch
Tiltbrush: Freies kreatives Tool, welches besonders für Szenograf:innen und Bühnenbilder:innen geeignet ist. Tiltbrush zeichnet sich durch eine intuitive Bedienung und zahlreichen Tutorials aus. Es kann bereits mit einer Stand-Alone VR-Brille verwendet werden und ermöglicht durch die unendlichen Gestaltungsmöglichkeiten das kreative Entwerfen im virtuellen Universum. Die kostenlose Weiterentwicklung Multibrush ergänzt das Programm, um die Möglichkeit mit mehreren Nutzer:innen im gleichen virtuellen Raum gemeinsam zu arbeiten.
Gravity Sketch: Kostenloses und umfangreiches Tool, ebenfalls geeignet für Szenograf:innen und Bühnenbilder:innen. Im Gegensatz zu Tilt Brush setzt Gravity Sketch den Fokus auf Design / Produktdesign und Prototyping. Durch entsprechende Funktionen wie “Spiegeln, Parabeln, Layer, Rundungen und Gitterlinien und Fangpunkte” kann auch technisch genauer gezeichnet werden. Dafür wird aber eine längere Einarbeitungszeit benötigt, um sicher und schnell im Programm arbeiten zu können. Das kostenlose Programm ist auf der Meta Quest einsetzbar und über die integrierte Cloud ist der Austausch von Modellen sehr einfach. Die längere Einarbeitungszeit macht sich daher später bezahlt.
Sketchbox: Kostenloses und intuitives Tools für den einfachen Entwurf und kleine virtuelle Bauprobe in VR. Sketchbox ermöglicht die Ergänzung und Darstellung von Bühnenräumen und Bühnenbildmodellen. Es wird ein kabelgebundenes VR-Headset benötigt, da die Software nicht für Stand-Alone Brillen zur Verfügung steht. In Sketchbook können weitere Teilnehmer:innen im Multiplayer Modus ins Modell einsteigen, allerdings kann das Modell dann nur angeschaut und nicht bearbeitet werden.
Microsoft Maquette: Künstlerische Freiheiten sind geringer als bei Tilt Brush und es enthält nur einfache Materialien (leuchtend, spiegelnd, plastik, matt, durchsichtig, metallisch,…) Oberflächenstrukturen sind nicht möglich. Kein Multiplayer möglich, dafür aber 360-Grad Fotos und normale Videos mit Kamerastabilisierung, Szenenerstellung. Insgesamt eine spannende und leistungsstarke Alternative zu TiltBrush. Vor allem geeignet für Prototyping, Entwurf und Gestaltung, da ebenfalls mit Licht und lokalen Modellen gearbeitet werden kann.
VR-Sketch: Umfangreiches Tools für die Virtuelle Bauprobe. Zahlreiche Funktionen zur Live-Bearbeitung des Modells in VR, wie z.B. Ausmessen, Verschieben, Drehen, Gruppieren und Hinzufügen von Modellen und Skizzen. Auch im Multi-User Modus können die anderen User das Modell verändern und bearbeiten, sodass hier eine “echte virtuelle Bauprobe” möglich wird. Eher technisches Tool, da die visuelle Qualität eingeschränkt ist und keine Lichtvisualisierung stattfindet. Kann nur über eine VR-Brille genutzt werden und benötigt das kostenpflichtige Basisprogramm SketchUp.
Sketchfab: Aussagekräftige, intuitive und umfangreiche 3D Bibliothek zur Präsentation und zum Austauschen von 3D-Modellen. Kollaboratives Arbeiten nicht möglich, daher eignet sich Sketchfab perfekt als ergänzender Online-Viewer bei Besprechungen und zum Austausch von 3D-Modellen. Die Modelle von Sketchfab können gut in andere Programme wie z.B. Mozilla Hubs oder SimLab integriert werden.
Mozilla Hubs: “Virtuelle Bauprobe light” für den einfachen und schnellen Einstieg bestenfalls geeignet. Einfaches aber intuitiver WebXR-Viewer für eigene Modelle. Virtuelle Meetingräume können über den kostenlosen Web-Editor erstellt und anschließend in Mozilla Hubs veröffentlicht werden. Bis zu 50 Personen können an einem Meeting deviceübergreifend per Smartphone, Tablet, Notebook, PC oder VR-Brille teilnehmen. Es wird nur eine Internetverbindung und ein Browser benötigt. Der Zugang zum Meeting erfolgt über einen Link.
SimLab: Intuitive und einfache Game Engine auf Basis von Unreal mit Grenzen in der Erweiterung. Die einfache Benutzeroberfläche und die zahlreichen Tutorial Videos ermöglichen einen schnellen Einstieg. Vor allem der Entwurf, die Gestaltung und Texturierung von 3D-Modellen ist intuitiver als z.B. in Blender. Ebenso können Lichtquellen und Renderings gesetzt werden und über den VR-Viewer können die Modelle über kabelgebundene VR-Brillen erlebbar gemacht werden. Aufgrund der Game Engine können die Modelle für VR ebenfalls interaktiv gestaltet werden, sodass Interaktionen wie z.B. mit Lichtschaltern möglich sind.
Tvori: Umfangreiches, kreatives und intuitives Tool, geeignet für Szenograf:innen. Tvori kann sowohl auf einem Stand Alone VR-Headset als auch über eine Workstation verwendet werden. Aufgrund der Möglichkeit zum kollaborativen Arbeiten ebenfalls für die Virtuelle Bauprobe geeignet. Aus gestalterischer Sicht fehlen für technische Besprechungen einige Funktionen.
Spatial.io: Eine einfache und intuitive Meetingplattform, um vor allem Ideen zu viusalisieren. Gute Alternative zu Zoom oder anderen Videokonferenz-Tools. Gestaltungsprozesse, Gestaltung von 3D-Modellen und maßstabsgetreue Anzeige von Modellen sind allerdings nur eingeschränkt möglich. Daher für die virtuelle Bauprobe nur bedingt geeignet. Über das Creator Programm können zwar eigene Räume und Modellwelten erstellt werden, dennoch liegt der Fokus eher auf einem kommunikativen spielerischen Austausch.
Programmvergleich Teil 2 – Vergleich der Programme Sketchfab, Mozilla Hubs, SimLab, Spatial, Tvori