Christian Buschhoff, der Sanierungsbeauftragte der Luisenburg Festspiele, und Fabian Schröter, der Technische Leiter sprechen mit den Projektleiter:innen Franziska Ritter und Pablo Dornhege über digitale Werkzeuge für die Planung von Sanierungsvorhaben und Virtuelle Bauproben. Das Gespräch fand am 10.12.2021 statt.
Könnt ihr uns einen Einblick geben, wie und warum an der Luisenburg der Sanierungsprozess mit digitalen Methoden erarbeitet wird?
Christian: Schon bei der Bedarfsermittlung 2018 haben wir erkannt, dass der Beginn baulicher Maßnahmen in so einem komplexen räumlichen Kontext eng mit einem digitalen Aufmaß und einem digitalen Prozess gekoppelt sein muss – vor allem bei stark begrenztem Budgetrahmen. Konsequenterweise haben wir dann die Bestandserfassung mit einer Punktwolke beauftragt. Unsere Motivation war also ganz klar Kostenersparnis und ein höherer Planungsgrad.
Fabian: Wenn alle Bühnendaten digitalisiert sind, kann man zu jedem Zeitpunkt richtig arbeiten und planen. Die Winterzeit ist ein gutes Beispiel, denn wir haben aktuell zehn Zentimeter Schnee. Wenn man jetzt spezielle Informationen bräuchte, um Details bezüglich der Theaterbühne zu besprechen, dann würden wir das erst in vier Monaten besprechen können, wenn die Bühne wieder frei und begehbar ist. Also erleichtert uns das Arbeiten mit digitalen Methoden den Arbeitsalltag und führt zu schnelleren Ergebnissen
Ihr habt mit der Erstellung der Punktwolke ja gleich zu Beginn Maßstäbe gesetzt. Wie war die Resonanz im Haus und bei den Projektbeteiligten? War es schwierig diese neue Art des Arbeitens zu etablieren?
Fabian: Ich würde mal vorsichtig sagen: ja, weil es einfach nicht bekannt war. Da ist schon eine Einstiegshürde. Sich grundsätzlich mit Technik auseinanderzusetzen, dafür muss man Zeit, Lust und Geduld haben. Wer eine Affinität für das Digitale hat, tut das natürlich gerne. Als dann die ersten Ergebnisse vorlagen, war der Mehrwert für alle ersichtlich.
Christian: Man spürt hier in Wunsiedel ganz klar einen Transformationsprozess und es entsteht ein Mehrwert durch die Ergebnisse, die wir aus der Digitalisierung ziehen. Auch die Erkenntnisse, die wir aus der Zusammenarbeit mit Euch (digital.DTHG) generiert haben, sind dabei ein Aspekt. Ganz oft hört man leider noch als Antwort: “Das machen wir schon seit Jahren so.” Wenn man dann mit etwas Neuem und Unbekanntem um die Ecke kommt, gibt es erstmal Widerstände. Allerdings waren diese Widerstände nicht so, als dass man nicht bereit gewesen wäre Gelder für die Vermessung und die Erstellung der Punktwolke zur Verfügung zu stellen.
Welche Rolle spielen auch neue digitale Darstellungsmethoden wie Augmented Reality? Zum Beispiel bei der Kommunikation mit externen Akteuren und Stakeholdern.
Christian: Bislang spielen die 3D-Modelle und die damit mögliche – auch augmentierte – Art der Präsentation nur eine untergeordnete Rolle bei der Kommunikation mit den politischen Entscheidungsträger:innen. Das Augmented-Reality-Tool ist neben Exceltabellen, gebauten Modellen oder Planzeichnungen ganz sicher ein Kommunikationswerkzeug mit Wow-Effekt. Aber der visuelle Eindruck darf dabei nicht blenden, vielmehr muss er helfen, die komplexen Zusammenhänge besser darzustellen und die Notwendigkeit der Kosten zu erklären.
Wie stellt Ihr Euch den digitalen Transformationsprozess vor? Was wäre der richtige Weg und wo soll die Reise hingehen?
Christian: Konkret steht die Reparatur des Bühnenbodens an: der ist so marode, dass man nicht bis zur Sanierung warten kann. Der aktuelle Zustand wurde mit einer Drohne als 360°- Panorama erfasst. Der Mehrwert dieser digitalen Dokumentation spiegelt sich jetzt darin wider, dass wir im Winter bei Schnee oder nach der Reparatur ein Blick auf die Bühne ermöglichen. Also eine klassische Fotodokumentation, allerdings mit einem 360° Blick und in diesem Fall nicht als 3D-Punktwolke. Dies hilft ungemein, um den Sanierungsprozess zu beschleunigen.
Fabian: Gerade wenn es um den Bühnenraum in seiner Grundstruktur geht, sind die präzisen 3D-Modelle essentiell und erleichtern das Arbeiten – im Vergleich zu mündlicher Beschreibung oder Fotos. Die digitalen 3D Daten bilden dabei eine gemeinsame planerische Grundlage, durch die 3D-Modelle sprechen wir eine gemeinsame Sprache.
Wie gestaltet sich die digitale Arbeit bei Euch im Team?
Fabian: Im operativen Betrieb ist die Digitalität bei uns noch nicht vollständig angekommen. Die Luisenburg ist eben ein Saisonbetrieb: es gibt nicht das eine große Team, dass durchgehend an etwas arbeitet – sei es Licht, Ton oder Bühnentechnik. Da wird es schwer, das Thema Digitalität in einer sinnvollen Größenordnung umzusetzen, auch weil die Einarbeitungszeit in einem Saisonbetrieb sehr knapp bemessen ist. Das Thema Digitalität ist natürlich auch eine Generationsfrage: Für die ältere Generation ist der Einstieg und die Umsetzung erfahrungsgemäß komplexer, bei der jüngeren Generation sieht das schon ganz anders aus. Ich beobachte das zum Beispiel auch in der Arbeit mit unserer Theaterpädagogik, die zur Zeit – pandemiebedingt – viele digitale Projekte umsetzt: Die Kolleginnen haben sichtlich Spaß an der Arbeit. Für die Generation, die mit Digitalität heranwächst, wird das Digitale zum Standard-Arbeitsmittel.
Christian: Ich denke auch daran, wie schwer es für mich war, mich vom Haptischen zu lösen und das Vertrauen zu den digitalen Daten aufzubauen. Mich darauf verlassen zu können, dass ich meine Informationen auch über mehrere Jahrzehnte aufbewahren kann und dann auch wiederfinde. Ich glaube auch, dass es eine Generationsfrage ist. Wir müssen uns fragen: ”Wo sind wir, wenn wir in Rente gehen?”. Also in 25, 30 Jahren. Dann sollten wir soweit sein, dass das Digitale einen starken Fokus hat. Da blicken wir auf bald 60 Jahre digitale Datenerfassung zurück und sind vielleicht auch beruhigter, was das Vorhalten von Daten angeht.
Inwiefern spielen digitale oder virtuelle Tools bei der Planung von Bühnenbildern oder dem Setdesign eine Rolle?
Fabian: Zur Zeit ist es so, dass ich meine 3D-Pläne von der Bühne in der Planung von Bühnenbildern noch nicht richtig nutzen kann. Die Pläne, die ich an die Bühnenbildner:innen rausgebe sind zwar digital – aber in 2D. Somit sind auch die Übersichtspläne, Detailansichten und Werkstattzeichnungen, die im Laufe der Planung entstehen, noch zweidimensional. Zur Zeit können wir in unseren Werkstätten nicht direkt mit dreidimensionalen Konstruktionszeichnungen arbeiten, auch weil die dafür notwendigen Programme gar nicht vorhanden sind.
Christian: Dazu sind auch die Bauvolumen, also die für den Setbau vorhandenen Budgets nicht groß genug, als dass eine eigene Stelle für 3D-Konstruktion gerechtfertigt wäre. Die Budgets, die für diese Bühne im Naturraum zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Und das wirkt sich auch auf die Komplexität der Konstruktionen aus. Der Bühnenraum lässt keine großen Setbaus mit abgehängten Plafonds oder ähnlichem zu. Und an dieser Stelle sollten wir ehrlich zu uns sein: die möglichen Aufbauten erfordern für den operativen Betrieb auch nicht wirklich eine dreidimensionale Konstruktionsplanung. Anders sieht es allerdings in der Beleuchtung aus. Hier kann man im virtuellen Raum sehr gut vorproduzieren und muss dabei nicht auf den Sonnenuntergang und die Dämmerung warten.
Dem Setbau gegenüber steht die Sanierung – dort ist das was Anderes: da sind wir ganz stark auf einen dreidimensionalen Arbeitsprozess angewiesen. Nur das Dreidimensionale lässt es zu, den Raum zu bewerten und zu verstehen. Und selbst wenn das Budget knapp ist, rechtfertigt dies den Einsatz des Digitalen und des konkreten dreidimensionalen Zeichnens.
Welche Eigenschaften sollten digitale Werkzeuge für den Einsatz am Theater haben?
Fabian: Es braucht einfache, zielgerichtete Werkzeuge – ausgestattet nur mit den Inhalten, die auch benötigt werden. Programme müssen – besonders für den Einstieg – leicht sein und es ist in Ordnung, wenn das auch etwas kostet.
Christian: Und es müssen Programme und Arbeitsweisen sein, die alle Menschen mitnehmen: Wir dürfen es uns nicht leisten, Leute stehen zu lassen, weil sie bei der Digitalität nicht mitziehen können. Jeder sollte das Werkzeug bekommen mit dem er gerne arbeitet. Die Herausforderung wird sein, diese Werkzeuge miteinander zu synchronisieren und aufeinander abzustimmen.
Wie sollten wir am Theater über Digitalität sprechen?
Christian: Mir schwebt da der Gedanke der Bauhütte vor – also das das Theater letztendlich eine Manufaktur ist. Wo individuell am Standort gearbeitet wird. Was aber nicht dazu führen darf, dass man so engstirnig wird, dass man sich als Schmelztiegel der Technologie und der Umsetzung bewertet. Denn ich vermisse einen Austausch zwischen den Festspielstandorten, zwischen den verschiedenen Akteuren. Wenn man im Vergleich schaut, was da für ein Selbstverständnis bei Sakralbauten vorherrscht – da findet bundesweit und auf europäischer Ebene ein fachlicher Austausch statt und Digitalität wird von Vorne bis Hinten gelebt. Da haben wir im Theaterbereich noch eine sehr große Lernkurve vor uns.
Muss das Thema Digitalität stärker in die Ausbildungsstätten und Hochschulen gebracht werden? Wie beurteilt ihr den Status Quo?
Christian: Ja, denn es ist essentiell, dass Digitalität, digitale Kommunikation und zukunftsweisendes Arbeiten wesentliche Bestandteile der Modulhandbücher werden. Die Absolvent:innen, die frisch von der Hochschule oder aus der Ausbildung kommen, machen eigentlich schon alles digital.
Fabian: Genau das beobachte ich auch in meinem Arbeitsalltag: die ältere Generation möchte den Dienstplan ausgedruckt in Papierform, die jüngere Generation will ihn bitte nur per Mail gesendet bekommen. Dasselbe Schema ist bei der Dokumentation von Arbeitsprozessen zu beobachten: Je jünger die Mitarbeiter:innen, desto mehr findet alles auf der digitalen Ebene statt.
Ist der ausgebildete Nachwuchs gut auf die Arbeitsrealität am Theater vorbereitet?
Christian: Nein, überhaupt nicht. Die Rolle der Technik in einem Projekt wird oft nicht ausreichend reflektiert. Ein guter Technischer Leiter ist Vermittler, jemand, der das Kunstwerk versteht und bestenfalls auch den Werkbereich durchdringt. So entsteht ein Selbstverständnis, das es bedarf, um Kunst technisch zu unterstützen. Beide Welten – die technische und die künstlerisch-kreative – müssen sich in gleichem Maße akzeptieren und respektieren, für eine Kommunikation auf Augenhöhe werben und diese auch einfordern: Auf der künstlerischen Seite muss es ebenso ein technisches Grundverständnis geben wie auf der Seite der Techniker:innen ein künstlerisches Verständnis. Diese Themen muss man in der Ausbildung platzieren.
Welche Rolle spielen die Verbände beim Thema Digitalisierung?
Christian: Das Wichtige ist hier, dass die DTHG und die anderen Verbände die Leute da abholen, wo sie sind. So wie ihr es mit euren “How to go Virtual – Workshops” an den Theatern vor Ort ja auch schon tut. Es ist total wichtig, dass es bei den Verbänden Ansprechpartner:innen gibt, die das Thema Digitalität vorantreiben. Es braucht, wie auch bei anderen Themen, eine Kontinuität in der Auseinandersetzung.