Was für verschiedene VR Systeme und Hersteller gibt es? Wie finde ich mich im VR-Dschungel zurecht? Worauf muss ich bei der Auswahl achten?
VR-Brille ist nicht gleich VR-Brille. So wie es bei Smartphones oder Computern viele Hersteller gibt und unterschiedliche Modelle angeboten werden, gibt es auch verschiedene VR-Systeme und Hersteller. Im Aufbau grundsätzlich ähnlich, unterscheiden sich die VR-Systeme* in Funktionsumfang und technischer Ausstattung jedoch maßgeblich. Die Wahl des richtigen Headsets sollte sehr früh in der Konzeptphase geschehen, in Abhängigkeit von der Art der Nutzung und vorallem immer in enger Abstimmung mit den Entwicklern der Anwendung.
*Vorab: ein VR System besteht aus einem Headset, Trackingsystem, Controller(n), weiteres VR-Zubehör und ggf. einem PC / Notebook mit Windows Betriebssystem (kein Mac).
Grundsätzlich – wie bei jeder Anschaffung technischen Equipments – gilt es, vorab Klarheit über folgende Punkte zu haben:
- Einsatzzweck
- Budgetrahmen
- Mobilität
- Performanceanforderungen
Die Hauptunterscheidungsmerkmale betreffen:
- Trackingmethode (3DoF oder 6DoF)
- Kabelgebunden oder Stand Alone
- externe oder interne Sensoren
- Technische Spezifikationen
- Hersteller und Betriebssystem
Welche Anforderungen hat das geplante VR Projekt: Sollen 360° Bilder oder 360° Videos gezeigt werden? Ist der zur Verfügung stehende physische Platz für die Präsentation sehr gering? Soll die VR-Interaktion nur auf Kopfbewegungen begrenzt werden? So reicht ein VR-Headset mit einem kostengünstigeren 3DoF Trackingsystem. Soll eine hohe Immersion erreicht werden? Soll mit der Virtuellen Welt interagiert werden, kann man sich in der virtuellen Umgebung frei bewegen? Dann muss die Wahl auf ein 6DoF Headset fallen. Mehr dazu in unserem Blogbeitrag “Kurz erklärt: 3DoF oder 6DoF?”
Ist die Trackingmethode geklärt, so stellt sich die Frage nach der Performance bzw. der Mobilität: Erfordert mein Einsatzzweck ein Stand Alone oder ein kabelgebundenes System? Stand Alone Headsets bieten eine hohe Mobilität und Bewegungsfreiheit und können technisch einfache Lösungen bieten, benötigen nicht zwingend einen Laptop oder VR-Ready PC. Die kabelgebundene Variante / der stationäre Betrieb von VR-Brille kombiniert mit Rechner bietet eine höhere Performance, die für komplexe VR Projekte und aufwendige Inhalte benötigt wird. Die genauen Vor- und Nachteile und beispielhafte Modelle sind in unserem Blogbeitrag “Kurz erklärt: Wann gilt die Leinenpflicht für VR-Headsets?” beschrieben.
Die meisten aktuellen VR-Systeme verwenden interne Trackingsysteme, also im Headset integrierte Kameras, die die Position der Brille im Raum verorten. Vorteil dieses Systems ist die Möglichkeit des Hand-Trackings. Die Hersteller Oculus und neuerdings auch Pico ermöglichen die Eingabe und Interaktion mittels Finger- und Handtracking. Das Tracking ist mittlerweile präzise genug, so dass es für 95% der (vor allem künstlerischen) Anwendungen ausreicht. Bei externen Trackingsysteme werden die Sensoren im Raum auf Stativen oder an Wänden platziert. Diese Systeme sind weniger mobil, zeichnen sich aber durch eine sehr hohe Präzision und Stabilität aus und geben die Möglichkeit zur Einbindung von weiteren Trackingsensoren und Headsets oder Objekten (z.B. Bühnenbildelementen oder Requisiten, die räumlich getrackt werden können). Solche Systeme werden z.B. im medizinischen Bereich für die Simulation von Operationen verwendet. An diesem Punkt hat sich die Auswahlmöglichkeit schon reduziert, da zum jetzigen Zeitpunkt klar sein sollte, welches grundlegende VR-System benötigt wird.
Um die verschiedenen VR-Systeme der Hersteller vergleichen zu können, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen technischen Eigenschaften wie z.B:
- Displayauflösung
- Bildwiederholungsrate
- Prozessor
- Einstellbarkeit des Augenabstandes
- Platz für eine optische Brille?
- Reinigungsspezifika (Cover, Materialität)
- SpeicherplatzAnschlüsse
- Akkulaufzeit und Gewicht
Jeder Hersteller verwendet eigene Treiber und Betriebssysteme und bespielt eigene Plattform, für die die Projekte / Anwendungen (Apps) entwickelt sein müssen (z.B. vergleichbar mit Google Play und Apple Store). Oculus VR-Headsets werden über den eigenen Oculus-Store bedient, Pico besitzt den Pico interactive Store, HP verwendet Windows Mixed Reality als Plattform, HTC den eigenen Vive Port. Mit einem Oculus Produkt ist es z. B. nicht möglich, auf Inhalte des Vive Ports zuzugreifen.
- Oculus – Oculus Store
- Pico – Pico Interactive
- HTC – Vive Port
- HP – Windows Mixed Reality Portal
- Valve – Steam
- Varjo – Steam
Jedoch bietet die Plattform Steam mittels SteamVR die Möglichkeit, bestimmte Inhalte computerbasiert zu verwenden. Auch hier gilt, dass die entsprechende App für die VR-Systeme entwickelt sein muss.
Noch ein paar Hinweise zu Herstellern:
Bei der Wahl des Herstellers sollten vorab auch die Datenschutzrichtlinien und rechtlichen Beschränkungen beim Anmeldeverfahren beachtet werden. Für die Nutzung der VR-Headsets werden Benutzerkonten bzw. Accounts benötigt: Für die Nutzung von Oculus -Produkten ist ein Facebook-Account, der mit dem Oculus Konto verknüpft wird, zwingend (was für viele Institutionen problematisch ist). Die Produkte dürfen in Deutschland verwendet werden, jedoch ist der Verkauf verboten. Weiterführende Informationen: https://mixed.de/facebook-vs-oculus-bundeskartellamt-erweitert-verfahren/
Der chinesische Internet-Technologie Konzert ByteDance hat Ende August 2021 den VR-Brillen Hersteller Pico übernommen. Damit ist die Weiterentwicklung des VR-Konzerns zunächst gesichert. Allerdings stellt sich hier die Frage, wie es mit der zukünftigen Datensicherheit, mit der Pico einst geworben hat, weitergehen wird. ByteDance ist für die App TikTok bekannt geworden. Weiterführende Informationen: https://mixed.de/konkurrenz-fuer-oculus-tiktok-studio-steigt-in-vr-ein/
Muss es immer eine Investition sein?
VR-Headsets und Technik allgemein haben eine kurze Halbwertzeit, jedes Jahr kommen neue Headsets mit besseren Spezifikationen und Ausstattung auf den Markt. Die älteren Geräte können zwar nach wie vor weiter eingesetzt werden, doch die Softwareentwickler programmieren für die neuesten Headsets und benötigen auch das ausgewählte VR-System für die Entwicklung des Projekts. Die Grundfrage sollte also im Sinne der Nachhaltigkeitsdebatte sein: muss ich wirklich ein eigenes VR-System besitzen, wie wird es eingesetzt, kann ich es auch leihen?
Einige Kulturschaffende und Theaterhäuser haben mittlerweile eine VR-Grundausstattung angeschafft. Die Verbände und Institutionen (wie z.B. der Bund der Szenografen oder die digital.DTHG) haben eigene Arbeitskreise zu den Digitalthemen gegründet und geben gern Auskunft – hier gilt es jetzt, die Netzwerktätigkeit auszubauen, so dass es in Zukunft auch selbständigen Kulturschaffenden besser möglich ist, unkomplizierten Zugang zu XR-Technologien zu haben.
Für Langzeitmieten: Grover – https://www.grover.com/de-de
Für Veranstaltungen: VR-Expert – https://vr-expert.de/mieten/vr-brille/
Die DTHG baut ein Weiterbildungsangebot zu digitalen Themen auf und berät gerne!
Autor:innen: Vincent Kaufmann, Franziska Ritter, Pablo Dornhege