Hybrid-reale Bühnenräume?

In unserem digital.DTHG Teilprojekt „Hybrid-reale Bühnenräume“ untersuchen wir mit der VR Inszenierung „Spatial Encounters“, inwiefern die Verknüpfung eines real/physischen mit einem digital/immateriellen Raum als Gestaltungsmittel eingesetzt werden kann und vollkommen neue Erlebnisräume ermöglicht.Ziel ist die  Erforschung von Co-Kreations-Prozessen zwischen Publikum und Musiker:innen im Rahmen von künstlerischen Inszenierungen.

Was zeichnet einen hybrid-realen Bühnenraum aus? Ein hybrid-realer Bühnenraum entsteht in erster Linie durch die Verknüpfung eines “physischen” mit einem “digitalen” dreidimensionalen Raum. Sowohl Performende, als auch Betrachtende haben die Möglichkeit, zu beobachten und gegebenenfalls zu agieren. Das Rollenverständnis zwischen Betrachtung und Beeinflussung kann sich verschieben und sich demnach unterschiedlich auf die entsprechende Raumsituation auswirken. Entscheidend dabei ist, dass die Interaktion in Echtzeit stattfindet und sich die Veränderungen der Räume gleichzeitig abspielen.

Für die Erforschung solcher Inszenierungsmöglichkeiten sind mehrere Aspekte von Bedeutung:

  • die notwendige Existenz beider Räume (analog/digital) für das Stattfinden der Inszenierung
  • die Verschränkung zwischen analogem und digitalem Raum
  • ein Verständnis beider Raum- und Realitätsformen und den jeweiligen Regeln, Möglichkeiten und Beschränkungen, denen sie unterliegen. (Die Gestaltung, Planung und Umsetzung einer virtuellen Inszenierung ist ebenso aufwendig, wie die einer Inszenierung im physischen Bühnenraum.)
  • die Gleichzeitigkeit von Performance und Erlebnis
  • die Aktivierung von Publika mit einer Rollen-Verschiebung von Beobachter:innen zu Akteur:innen

 

„Verrat der Bilder“, Nico and the Navigators, Foto: Falk Wenzel

Dennoch müssen nicht alle Beteiligten alle Rollen einnehmen: In der Inszenierung “Die Biene im Kopf” (Martin Grünheit und die Cyberräuber, Premiere 2018, Theater an der Parkaue) beispielsweise zeichnet ein  Schauspieler, der eine VR-Brille trägt, eine virtuelle Landschaft. Zum Einen erlebt das Publikum diesen Akt des digital-räumlichen Zeichnens als Performance auf der Bühne und zum Anderen wird die Zeichnung als Projektion zum Teil des Bühnenraumes. Die Betrachtung durch das Publikum bleibt dabei stets “analog”.

Anders  geht das Stück  “Verrat der Bilder” vor (Nico and the Navigators, Premiere 2019, Meisterhäuser Bauhaus Dessau). Hier ist die Betrachtungsperspektive gespiegelt: die Schauspieler:innen agieren in einem vollkommen analogen Bühnenraum. Dem mit Augmented-Reality-Brillen ausgestatteten Publikum hingegen zeigt sich ein durch digitale Elemente angereichertes, augmentiertes Bühnenbild.

Entscheidend bei hybrid-realen Bühnenräumen ist, dass Veränderungen, die sich in der einen Realität abspielen, in der jeweils anderen Realität eine Auswirkung haben.

Mit der Verschränkung der Realitäten kann auch eine Verschränkung von Performer:innen und Akteur:innen stattfinden, sodass klassische Hierarchien von “Sender-Empfänger-Konstellationen” aufgebrochen werden können. Darüberhinaus zeigt sich in dieser Erforschung das Potential von VR als “sozialer Raum”, in welchem Agierende sich nicht “allein”, sondern im Kontext mit anderen Menschen bewegen.

Das Erlebnis einer solchen Performance ist interessant für diejenigen, die sich bereits als analog-virtuelle Grenzgänger zwischen den Welten bewegen. Jedoch auch für Menschen, die neugierig darauf sind, den eigenen Horizont zu erweitern, kann diese Performance spannende Einblicke ermöglichen.  Für diejenigen, die bereits eine hohe digitale Affinität haben, bietet solch eine Erfahrung die  Chance, auch die Eingeschränktheit der virtuellen Räume sichtbar zu machen. Denn letztlich bildet der Realraum und der Mensch mit den natürlich gegebenen Grenzen immer die notwendige Grundlage für solch ein Erleben.

Weitere Beispiele für hybrid-reale Bühnenräume:

Weitere Information zum Projekt „Spatial Encounters“:

Hybrid Real Stages